Eurodac - VO (EU) Nr. 603/2013
HS II M 14
RAL M 7
Stand 15.03.2020
Die am 19.07.2013 in Kraft getretene neue Eurodac-Verordnung ist seit 20.07.2015 anzuwenden und regelt das Europäische automatisierte Fingerabdruckerfassungsystem zur Untersützung der Anwendung der Dublin III-Verordnung.
1. Begriff und Daten der Eurodac-VO
Eurodac ist ein zentrales automatisiertes Erfassungssystem zur Feststellung, ob der Fall eines Antrages auf internationalen Schutz oder eines illegal eingereisten Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen der Dublin III-VO unterliegt.
Die VO (EU) Nr. 603/2013 (ABl.-EU L 180/1 vom 29.06.2013) ist am 19.07.2013 in Kraft getreten und findet seit 20.07.2015 Anwendung (Art. 46 Satz 2). Die bisherigen Verordnungen wurden damit aufgehoben (Art. 45 Satz 1).
Die offizielle amtliche Bezeichnung der Eurodac-VO lautet:
Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl.-EU L 180/1 vom 29.06.2013).
2. Aktueller Hinweis auf missverständliche Information im ABl.-EU
Im ABl.-EU L 180/1 vom 29.06.2013 befindet sich seit 11.12.2018 der Hinweis auf eine "stillschweigende Aufhebung" der Eurodac-VO durch die
Verordnung (EU) 2018/1726 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über die Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA), zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 und des Beschlusses 2007/533/JI des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 (Abl.-EU L 295/99 v. 21.11.2018).
Bei dieser VO handelt es sich um die Neufassung der VO zu eu-LISA, mit der auch die Grundlagen der alten Eurodac-VO geändert werden. Gem. Art. 1 III, Art. 5 eu-LISA-Verordnung ist eu-LISA für das Betriebsmangement u.a. von Eurodac - sowie SIS II, VIS, EES und ETIAS - zuständig. Die neue eu-LISA-Verordnung ist am 11.12.2018 in Kraft getreten.
Eine ausdrückliche Aufhebung der Eurodac-VO ist in der eu-LISA-VO nicht geregelt. Änderungen und Aufhebungen sind in Art. 51, 52 und Art. 57 eu-LISA-VO geregelt und betreffen nicht Eurodac. Im Gegenteil wird der Bestand von Eurodac in der eu-LISA-VO in ErwGrd Nr. 3 sowie in Art. 1 III, Art. 5, Art. 42 vorausgesetzt und in Bezug genommen. Es können auch keine Hinweise auf eine wirkliche "stillschweigende Aufhebung" der Eurodac-Verordnung gefunden werden, so dass nach derzeitiger Lage von einer Fehlverlinkung und einer fehlerhaften Information ausgegangen werden muss.
3. Neues Gesetzgebungsvorhaben
Unabhängig davon befindet sich in Planung und im Gesetzgebungsverfahren der
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Feststellung der Identität illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitglied-staaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten (Neufassung)
COM (2016) 272 final, 2016/0132 (COD)
In der Neufassung ist die Herabsetzung des Eurodac-ED-fähigen Lebensalters von 14 auf sechs Jahre und eine Änderung der Speicherungspraxis vorgesehen.
4. Räumlicher Anwendungsbereich
Die VO gilt unmittelbar für alle EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark und Irland (Erwägungsgründe Nr. 51, 52, 53) und als inzwischen umgesetztes innerstaatliches Recht über Assoziierungs- und Parallelabkommen auch in den "opt-out"-Staaten und assoziierten Nicht-EU-Staaten
Dänemark
Irland
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
und damit im gesamten Raum der Dublin III-Anwenderstaaten.
5. ED-Fälle
Die Eurodac-VO sieht folgende ED-Fallgruppen vor (derzeitige Fassung und geplante Neufassung im Vergleich):
VO (EU) Nr. 603/2013 | Geplante Neufassung COM (2016) 270 final, 2016/0133 (COD) | Innerstaatliche |
Kat 1 Antragsfall Antragsteller ab 14 J. Art. 9 | Kat 1 Antragsfall Antragsteller ab 6 J. Art. 10 | § 16 I AsylG |
Kat 2 Illegale Einreise über Außengrenze, keine Zurückweisung/Zurück-schiebung/Abschiebung oder bis dahin aufgrund RüFü-Beschlusses auf freiem Fuß Drittstaatsangehöriger ab 14 J. Art. 14 | Kat 2 Illegale Einreise über Außengrenze, keine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung oder bis dahin nicht durch Haft, Gewahrsam oder Festnahme in der Freiheit beschränkt Drittstaatsangehöriger ab 6 J. Art. 13 | § 49 VIII AufenthG |
Kat 3 Aufgriff illegaler Aufenthalt Anhaltspunkte für Antrag in anderem Dublin-Staat Drittstaatsangehöriger ab 14 J. Art. 17 | Kat 3 Aufgriffsfall illegaler Aufenthalt Drittstaatsangehöriger ab 6 J. Art. 14 | § 49 IX AufenthG |
ED und Speicherung: | ED und Speicherung: Fingerabdrücke aller Finger und Gesichtsfeld |
Der Vordruck für das Eurodac-Fingerabdruckblatt findet sich in Anhang I der VO.
6. Eurodac-Treffer
"Eurodac-Treffer" ist/sind die aufgrund eines Abgleichs durch das Zentralsystem festgestellte/n Übereinstimmung/en zwischen den in der Datenbank gespeicherten Fingerabdruckdaten zu den von einem Eurodac-Anwenderstaat übermittelten Fingerabdruckdaten (Art. 2 I d) Eurodac-VO).
Ein Eurodac-Treffer ist gem. Anhang II Verzeichnis A Nr. 7 VO (EU) Nr. 118/2014 als Beweismittel für das Vorliegen eines Falles einer illegalen Einreise über die Außengrenze nach Art. 13 I VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) - anzusehen.
7. Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung
Über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus legt die VO (EU) Nr. 603/2013 die Voraussetzungen für den Zugriff nationaler Behörden und des Europäischen Polizeiamtes (Europol) auf Eurodac zum Zweck der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung fest. Zulässig ist dieses zur Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten iSv. Art. 2 Ij), k) (Art. 21 I a)).
Der Abgleich ist auf die Fingerabdruckdaten beschränkt (Art. 21 II) und nur zulässig,
wenn
- ein Abgleich mit nationalen Datenbanken
- ein Abgleich mit dem VIS
- oder Maßnahmen nach dem Beschluss 2008/615/JI
erfolglos waren und
und
- ein überwiegendes Sicherheitsinteresse besteht,
- der Abgleich im Einzelfall erforderlich ist (kein systematischer Abgleich) und
- die begründete Annahme dafür besteht, dass der Abgleich wesentlich zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung beitragen wird.
Stand 11.12.2018